Popstars aus
der Seifenoper (Feature, Der Tag
11/98)
Mit Seifenblasen
in die Charts
Soap Operas als
Pop-Brutstätten: Immer mehr singende
Darsteller aus TV-Jugendserien schaffen es in die
Hitparaden / Oli.P aus "Gute Zeiten, Schlechte
Zeiten" mit "Flugzeuge im Bauch" jetzt bei
Doppel-"Platin"
Sie heißen Oli.P, Just
Friends, Christian Wunderlich oder Laurent Daniels,
arbeiten als Darsteller in täglich
ausgestrahlten Teenie-Seifenopern von "Gute Zeiten,
Schlechte Zeiten" (GZSZ) bis "Verbotene Liebe"- und
sie alle gelten als die neuen
Umsatz-Hoffnungsträger im derzeit stark
abgeflauten Schallplattengeschäft. Alle vier
sind im Moment mit ihren Singles in den Charts, und
zum ersten Mal nach dem Abflauen der Boygroup-Welle
blitzt für die gebeutelte Pop-Industrie wieder
ein Licht am Ertrags-Horizont in der wichtigen
Zielgruppe der Acht- bis 16jährigen
Plattenkäufer auf.
"Ich kann leider kein
Instrument spielen, nur ein bißchen
Schlagzeug, Ich bin ja auch kein Musiker oder
Texter in dem Sinne, daß es jetzt mein Beruf
ist." Oliver Alexander Reinhard Petszokat, besser
bekannt als der "Gute Zeiten, Schlechte
Zeiten"-Darsteller Oli.P, gibt sich betont
bescheiden, wenn er auf den unerwartet großen
Erfolg seiner Single "Flugzeuge im Bauch"
angesprochen wird. Der Song - eine
zeitgemäße, langsame Rap-Nummer mit dem
von einer Frau gesungenen Grönemeyer-Refrain
in der Mitte - steht nun schon vier Wochen
unbedrängt von der Konkurrenz auf Platz eins
der deutschen Single-Charts. Anfang November schon
wurde sein Debütalbum "Mein Tag" vorgestellt -
und für die "Flugzeuge"-Single bekam er
Doppel-Platin (mehr als 1 Million) verkaufte
Tonträger). Petszokat ist der erfolgreichste
in der Riege der singenden Soap-Darsteller, deren
jungen Pop-Karrieren nach allen Regeln der
Marketingkunst auf die Erwartungen der jugendlichen
Zielgruppe hin maßgeschneidert werden.
Musikalisch decken sie die
derzeit erfolgreichen Genres ab: Laurent Daniels
(GZSZ) macht mit "Cry On My Shoulder"
verträumten Euro-Pop, Christian Wunderlich
("Verbotene Liebe") mimt den sanften Jung-Crooner,
das GZSZ-Quartett Just Friends tritt in die
ehemalige Soap-Boygroup Caught In The
Act-Fußstapfen und Oli.P rappt sich durch
zeitgemäße Grooves aus der
Jazzkantinen-Ecke. In den Chart-Startlöchern
stehen darüber hinaus auch noch Crisaide
Mendes ("Marienhof") und Eric Benz ("Unter
uns").
Allen gemein ist, daß
ihre TV-Bekanntheit als funktionierendes
Karriere-Sprungbrett in den Plattenmarkt dient.
Just Friends wurden sogar im Rahmen der
GZSZ-Drehbücher als Teenie-Band erfunden. Ihr
Titel "Take My Heart" war im Rahmen der
Serienhandlung so lange zu hören, bis er es in
die Charts geschafft hatte.
Auf diese Starthilfe zumindest
mußte Oliver Petszokat verzichten - sein Song
kam in der Serie nicht vor. Auch den
dazugehörigen Videoclip wurde von dem
Jugendsender VIVA erst dann gespielt, als die
Single bereits auf Platz drei stand. Dennoch ist es
für Oli klar, daß ihm sein
Bekanntheitsgrad als Seriendarsteller "sehr
geholfen hat." Der Chartführer sieht seinen
Kollegen Christian Wunderlich, der es mit seiner
Single nur bis auf Platz zwölf geschafft hat,
nicht als Konkurrenz: "Ich finde es ganz toll,
daß Christian so hoch in den Charts ist -
auch wenn viele mich gefragt haben, ob ich nicht
neidisch bin. Ich weiß, daß auch er im
Studio steht und hart dafür arbeitet,
vielleicht sogar noch härter als ich."
Wunderlich selbst mag Lob von dieser Seite nicht
hören: "Ich kann wenigstens singen. Oli
spricht auf seiner Platte nur. Das Original von
Herbert Grönemeyer gefällt mir besser."
Wunderlich bleibt auch in dem
Rennen um den Veröffentlichungstermin des
Debütalbums Zweiter - seine CD "In Heaven"
erscheint erst Ende November. Bis dahin dürfte
"Mein Tag" von Oli.P bereits in den oberen
Chartregionen stehen, denn die Macher haben nichts
dem Zufall überlassen: Die 13 Songs sind exakt
der kleinste gemeinsame Nenner all dessen, was an
deutschem HipHop im Moment erfolgreich ist. Etliche
Songs wurden in den Braunschweiger
Jazzkantine-Studios von Erfolgs-Kollegen wie
Aleksey und Cappuccino mit griffigen Reimen und
hitträchtigen Melodien produziert. Auch bei
der Nachfolgesingle "I Wish" wagte man keine
Experimente: sie klingt wie eine massenkompatible
Mischung aus Nana, Tic Tac Toe und den
Fantastischen Vier. Anstößige Texte sind
in einem solchen Kontext natürlich tabu - sie
würden allerdings auch nicht zu dem
guterzogenen 20jährigen Berlin-Spandauer
passen, der stolz auf seine solide elterliche
Erziehung (der Vater arbeitet als
Polizeihauptkommissar) ist: "Ich bin eben nicht der
Typ, der sagt: 'Paß' mal auf, du kriegst
gleich eins aufs Maul'. Dazu bin ich viel zu gut
von meinem Vater erzogen worden. 'Ich mach' Dich
kaputt' oder 'Ich hau' Dir in die Fresse'
paßt nicht zu mir. Das bin ich
nicht."
Peter von Stahl
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