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Max gewinnt die
Vorausscheidung des European Song Contest"
ohne was zu sehen
Augen
zu und durch
Von Peter
Wagner, Hamburg
Wer hören will muss
fühlen. Wer fühlen will muss singen. Wer
mit vollem Gefühl singen will muss ganz bei
sich sein. Und weil das ziemlich schwer ist, wenn
einem 6.000 schreiende Fans in der Halle und
weitere 5,5 Millionen Fern-Seher dabei zusehen,
schaut man am besten gar nicht hin. Deshalb singt
der 22jährige Abendschüler Maximilian
Mutzke aus dem Südschwarzwald seine
Soul-Ballade Can't Wait Until Tonight"
vorsichtshalber mit geschlossenen Augen.
Publikumswirksam ist das nicht gerade, aber
Max", wie er seit ein paar Wochen von der
Pop-Nation genannt wird, hat andere
Qualitäten: er singt wie ein Schwarzer, wie
ein Affären-gestählter Lebemann im besten
Alter, wie einer, bei dem sich hinterher alle
fragen, wie man mit so einer Durchschitts-Fresse so
viele Weiber abkriegen kann. Kurz: eigentlich wie
Lionel Richie, der den TV-Abend backstage
begleitet, singen können müsste,
wäre er nicht als kleiner Junge in ein Fass
mit Schlagersoulschleim gefallen. Immerhin -
Maximilian hat sich gerade gegen neun Konkurrenten
durchgesetzt hat, von denen zumindest dreieinhalb
mit ihren Beiträgen um Galaxien besser
aussahen als alle Grand-Prix-Dilletanten der
letzten sechs Jahre zusammen.
Längst vom
französischen Chanson-Ursprung zum
internationaler klingenden European Song
Contest" modernisiert, schaffte es die Show mit der
deutschen Vorentscheidung in diesem Jahr zum ersten
Mal, sich vollständig vom Lena-Valaitis-Muff
der letzten 1000 Schlagerjahre der Marke
Goldkettchen-Ralf" (Künstlername: Ralf
Siegel) zu befreien. Mitmachen durfte nun, wer
vorher schon auf VIVA oder in den Charts Erfolg
hatte. Die letzten Renovierungsversuche, mit Hilfe
von Comedy-Witzfiguren wie Guildo Horn, Zlatko oder
Mosi waren gründlich in die Hose gegangen, den
12. Platz mit Lous Let's Get Happy" 2003
konnte sich Siegel noch nicht mal mit Dom Perignon
schön saufen. Schlager am Ende, Deutschland
von Island und Rumänien geschlagen,
Einschaltquoten am Boden - der Grand Prix
schien kurz davor, im Dienstagnachmittagsprogramm
beim MDR zu landen.
Inzwischen stimmen die Quoten
wieder: 28 Prozent der werbewertigen Gruppe von
14-49 Jahren sahen Freitag abend ARD. Weitaus
wichtiger aber der Image-Gewinn für das Format
an sich. Es roch nach Teen Spirit: NDR-Oldie Peter
Urban, an der Seite von Lionel Richie murmelnder
Backstage-Kommentar-Opi, erklärt dem sich
recht wacker schlagenden Moderator Jörg Pilawa
schon auf die erste Frage: Wir stehen da wie
die Alten aus der Muppet-Show." Pilawas bessere (in
jederlei Hinsicht) Hälfte Sarah Kuttner,
hauptberuflich VIVA-Moderatorin mit Potsdamer
Großstadt-Gosche, setzt noch einen drauf.
Sie, den sie jeden anderen im Saal dutzt, sagt:
Herr Urban, wissen Sie eigentlich...".
Generell aber gewann der
Abend vor allem durch die Musik und die
Künstler, die erstmals seit den ganz
großen Zeiten des deutschen Schlagers, als
Udo Jürgens noch nahezu gleichaltrigen Wesen
des anderen Geschlechtes nachstellte, die diese
Grand-Prix-Show sehenswert machten. Einmal Pop und
zurück, es gab nur Gewinner: Das Schweizer
Möchtegern-Boss"-Model Patrick Nuo
gewann den David-Cassidy-Lookalike-Contest und
zugleich den Award für den blödesten
Spruch des Abends (Ich hab' Schokolade im
Blut"), Sängerin Mieze von den Berliner
Elektro-Punkern Mia kämpfte gegen ihre
Angina-geschwächten Stimmbänder und gegen
das Vorurteil, Petticoats seien keine angemessene
Abendgarderobe. Mieze fährt nicht zum Finale
am 15. Mai nach Istambul, weil sie nur den zweiten
Kampf gewann. Sabrina Setlur zeigte in einer
Video-Einspielung all das, was zuvor nur Boris
Becker sehen durfte, langweilte dann aber trotz
Glashaus-Chor mit einer Gähn-Nummer. Ihre Zeit
ist vorbei, ebenso wie die der gecasteten
Boygroups: Die Popstars"-Gewinner Overground
wirkten wie um drei Jahre zu spät kommende
Justin-Timberlake-Klone im Krankenpfleger-Look.
Müde auch Wonderwall und Tina Frank. Die
Ex-Hintergrundsängerin von Oli.P. kam als
Relikt der Grand Prix Oldschool: ältlich,
schlecht angezogen, dünne Stimme. Ich
schenk Dir mein Herz" sang sie. Aber wer mag schon
noch Innereien, heutztage?
Richtig stark dagegen die
Auftritte von Laith Al Deen und DJ Westbam. Wenn es
um den besten Pop-Songs des Abends gegangen
wäre - Al Deens Höher" hätte
gewonnen. So wie "Dancing With The Rebels" vom
Elektro-Urvater Westbam zusammen mit dem Rapper
Afrika Islam den Preis für die beste
Performance gebührt hätte. Angefeuert von
einem völlig ausrastenden Benjamin v.
Stuckrad-Barre im Publikum wird das Duo von
Bereitschaftspolizisten" auf die Bühne
geführt, die dann eine zünftige
Polizeisportchoreographie aufführen. Westbam:
Das ist ein Protestlied gegen die
Choreographierung der Gesellschaft".
Scooters Jigga Jigga"
ist dagegen eher ein Protestlied gegen sich selbst:
Sänger H.P. Baxter grinst aus allen
Vorstadt-Poren, als das Trio neben Max in die
Endrunde kommt. Doch hatten in der ersten Runde
bereits über 60 Prozent der Zuschauer per
49-Cent-Call oder -SMS für Max, aber nur
sieben Prozent für Scooter gestimmt hatten.
Letztlich erwies sich der Tornesch-Techno
Jigga" samt zweier recht preisbewußt
gekleideter SM-Schnitten und jeder Menge Pyro-Pomp
als nicht mehrheitsfähig, so dass Baxter und
Konsorten nun doch nicht - wie ihr Testimonial
Helge Schneider unkte - nach Istambul
müssen."
And The Winner Is...nein,
natürlich nicht Max, sondern sein Ziehvater
Stefan Raab. Max wurde gecastet in der Raab-Show
TV total", live begleitet von der
Stefan-Raab-Band, hinter der Bühne gecoacht
vom Raab-Team, Musik und Text des Siegertitels
geschrieben von Stefan Raab, produziert
von...jaja. Raab ist damit seinem Lebensziel wieder
einen kleinen Schritt näher gekommen: 1998 mit
Guildo hat Euch lieb" einen siebten Platz
erkomponiert, 2000 mit Wadda hadde dudde da"
Platz vier ersungen - und nun mit der
Jahrhundertstimme Max und dem tränentreibenden
Soul-Schmuser Can't Wait Until Tonight" das
erste Mal echte Chancen auf Germany 12
Points". Aber nur, wenn Maximilian noch eine kleine
Regel lernt: Beim Autofahren und auf der Bühne
- Augen auf!
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