Schnaps war
nicht sein letztes
Wort
Mister Universal:
Edgar Bronfmans Aufstieg
vom Sohn einer kanadischen Schnapsbrennerfamilie
zum mächtigsten Entertainment-Manager der
Welt
Von Peter von Stahl
(Spiegel Online, 06/99)
Am Tag, an dem sein
größter Deal über die Bühne
gehen sollte, ließ Edgar Bronfman keinen
einzigen Anrufer in sein Büro durchstellen. Er
war nervös. Ihn sorgten jedoch nicht die knapp
10 Milliarden Dollar, die der Chef des kanadischen
Misch-Konzerns "Seagram" für den Kauf des
europäischen Musik-Multis "PolyGram" auf den
Tisch legen wollte. Wahrer Grund des
Nervenflatterns: Celine Dions Single "To Love You
More" war erschienen, und Edgar fieberte den
weltweiten Verkäufen entgegen.
Schließlich hatte er selbst gemeinsam mit
David Foster diesen Song komponiert. Die Single
wurde ein Riesen-Hit. Wieder einmal hatte Edgar
Bronfman sein Hobby erfolgreich mit dem Beruf
verbinden können - schon1976 nahm Dione
Warwick seinen Song "Whisper" auf, die von ihm
unter dem Pseudonym Sam Roman geschriebene
Titelmelodie zu dem Stallone-Streifen "Daylight"
wurde 1997 gar für den "Oscar"
nominiert.
Edgar Bronfman kennt die Welt
seit seiner frühesten Jugend vor allem aus
einer Perspektive: von oben. Der kleine Edgar
lernte den Planeten zunächst aus 46.000
Fuß Höhe kennen, wenn er seinen Vater,
Edgar Bronfman Senior, auf dessen
Geschäftsreisen im familieneigenen Gulfstream
V-Jet begleitete. Diese Sicht der Dinge hat er sich
bis heute erhalten. Auch wenn viele
Entertainment-Konkurrenten das nicht wahrhaben
wollen - Bronfman hat einen klaren, einfachen Plan:
Seine Firma soll die Nummer Eins in der
Entertainment-Welt des neuen Jahrtausends
werden.
Immerhin - Bronfmans
Einkaufspolitik war nicht immer von Erfolg
gekrönt. Der Schnapsbrenner-Erbe (Chivas
Regal, Absolut Vodka, Captain Morgan Rum, Seagram's
Gin, Martell Cognac etc) baut seit 1989 "Seagram"
von einer konservativen Share-Holding zu einem
expansiven Entertainment-Weltkonzern um. 1995 kauft
er die Firma "MCA" für 5,7 Milliarden Dollar
von den Japanern zurück - mit im Paket erwirbt
er das Hollywood-Studio "Universal Pictures" samt
Freizeitparks und TV-Station und die Plattenfirma
"MCA". Bronfman, seit seiner Jugend ein
begeisterter Musik-Fan, nennt "MCA" in Universal
Music" um.
Bronfmans Erfolg als
Film-Mogul entwickelte sich mit diversen Flops
("Waterworld", "Daylight") zwar nur
mäßig, doch in den Augen des Chefs
läuft alles nach Plan: "Für mich war MCA
nur der erste Schritt. Wir spielten als
Entertainment-Firma nur in der zweiten Liga. Ich
wollte aber in die erste Liga kommen." Der zweite
Schritt folgte auf dem Fuß: Zwei Jahre nach
der "MCA"-Übernahme erwirbt er für einen
Spottpreis 50 Prozent des Labels "Interscope", das
für den bisherigen Besitzer "Time Warner"
wegen der nicht gerade familienkompatiblen
Gangsta-Rap-Texte seiner Künstler untragbar
geworden war.
Als er dann im Juli letzten
Jahres dem "Philips"-Chef Cor Boonstra einen Scheck
über 10,4 Milliarden Dollar auf den
Schreibtisch legte und den Holländern den
Musikkonzern "PolyGram" abkaufte, schüttelten
die Börsen-Analysten in Amerika mit dem Kopf
und beschimpften Bronfman als "Stargeilen
Dilettanten." Ein halbes Jahr später werden
die Konturen des von ihm neu konglomerierten
Entertainment-Konzerns "Universal Music Group"
(u.a. U2, Elton John, Brian Adams, Marilyn Manson)
immer deutlicher, und Bronfman lacht sein
Überblicker-Lächeln: "Viele sagten, es
fehle meiner Firma an einer klaren Richtung.
Inzwischen lernen sie, wie sie die einzelnen
Fixpunkte unserer Strategie richtig zu verbinden
haben."
Diese Fixpunkte heißen
"Größe" und "Qualität". Das liegt
in der Familie: Großvater Samuel Bronfman,
ein 1889 aus dem zaristischen Rußland nach
Kanada geflohener Schnapsbrenner, schluckte 1924
den größten Konkurrenten "Joseph E.
Seagram & Sons Of Waterloo". Im
alkohonfeindlichen Amerika der 30er Jahre wurde
Kanada zum Eldorado der Trinker - und Samuel
Bronfman zu ihrem wichtigsten Lieferanten. Samuels
Feuerwasser sprudelte in Strömen vor allem in
den firmeneigenen Etablissements in Manitoba -
kredenzt von nicht minder käuflichen Damen.
Und immer, wenn Edgar Jr. heute darüber
nachdenkt, was es heißt, nicht nur der
Größte, sondern auch der Beste sein zu
wollen, dreht er sich auf seinem Schreibtisch-Stuhl
um, blickt auf das Öl-Portrait seines
Großvaters Samuel und erinnert sich an dessen
Worte: "Es mögen ja tatsächlich
Hurenhäuser sein, die wir betreiben. Aber wenn
sie es sind, dann sind sie die verdammt besten
Hurenhäuser im Westen."
Zurück
zur Archivübersicht
Für
alle auf dieser Site archivierten Texte gilt:
Abdruck oder Weiterverbreitung jeglicher Art
(Print, Funk, Online etc.) ausnahmslos nur mit
schriftlicher Genehmigung von Peter Wagner/poptext.
Veröffentlichungen - auch auszugsweise - ohne
ausdrückliche vorherige Genehmigung durch
Peter Wagner/vonstahl werden zivilrechtlich
verfolgt! Fragen Sie einfach bei uns per
e-mail
oder telefonisch (040-528 762 36) nach unseren
Konditionen.
|